Kathrin Lemke Quartett: MY PERSONAL HEIMAT
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Beschreibung
Kathrin Lemke Quartett
MY PERSONAL HEIMAT
Kathrin Lemke, as
Niko Meinhold, p
Adam Pultz Melbye, b
Michael Griener, dr
Bolle reiste jüngst zu Pfingsten 04:58 | The House of the Rising Sun 06:34 | Captain Future 07:15 | Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren 05:40 | Bella Ciao 04:30 | Ebendadort 05:21 | Das Lied der Schlümpfe 03:27 | Ich wünsch´ mir ne kleine Miezekatze 05:17 | Am Rio Jarama 06:35 | Dem Milners Trern 04:16 | Abschied vom Walde 03:53 | Abendstille überall 01:48
Total Time 59:34
REVIEW
„Die Musikerin setzt sich mit den Originalen auf faszinierende Weise auseinander, lässt Teile der Melodien immer wieder aufblitzen, auch wenn sie verfremdet auf die Instrumente ihres Quartetts mit dem Pianisten Niko Meinhold, dem Bassisten Adam Pultz Melbye und dem Drummer Michael Griener transponiert wurden. So pulsiert die Musik in Lemkes Arrangement mit dem soundfärbenden Saxophon der Leaderin.
Mal fließt die Musik wie in „Bolles“ Reise, mal schreitet sie gravitätisch wie im „Heidelberg“-Song. Das Saxophonsolo im „Lied der Schlümpfe“ klingt wie eine Übung, die zugleich von der schöpferischen Kraft der Künstlerin zeugt. „Ich wünsch´ mir eine kleine Miezekatze“ steckt voller Humor und belegt wie alle Bearbeitungen die Spielfreude der Beteiligten.
Ihre eigene Komposition „Ebendadort“ verrät die Eigenständigkeit der Saxophonistin, die die Tradition bewahrt und in vielen Arrangements ausspielt, sie aber oftmals wie in „Abschied vom Walde“ auf die Stufe des freien Jazz erhebt. So werden die zwölf Kompositionen werden zu unterhaltsamen, emotional eingefärbten und spannenden Miniaturen verdichtet, in denen die Improvisation eine wichtige Rolle spielt.“
(Klaus Mümpfer, Jazzpages)
Im Juli 2015 war es Zeit für eine Standortbestimmung, eine Selbstreflexion, den Blick auf die eigenen musikalischen Wurzeln. So begab sich die Saxophonistin Kathrin Lemke mit ihrem Quartett, in dem Niko Meinhold am Piano, Adam Pultz Melbye am Bass und Michael Griener am Schlagzeug spielten, ins Studio H2 im Berliner Funkhaus Nalepastraße (in dem von 1956 bis 1990 der einstige „Rundfunk der DDR“ seinen Sitz hatte).
„My Personal Heimat“ wurde zum Titel der Einspielung, und Kathrin Lemke schaute weit zurück auf die Anfänge ihrer musikalischen Sozialisation, bis in ihre frühen Kinderjahre. In eine Zeit, als Jazz für sie noch irgendwo hinter dem musikalischen Horizont lag, die ersten Lieder aus der berühmten „Mundorgel“ geträllert wurden und Schlager aus den wenigen öffentlich-rechtlichen Sendern in Radio und Fernsehen tönten.
Wer konnte oder wollte sich im jugendlichen Alter den musikalischen Ohrwürmern entziehen? Und wie unbeeinflusst können einen diese Melodien der Jugend lassen?
Kathrin Lemke wusste um die Bedeutung ihrer musikalischen Heimat, konnte mit dem Material virtuos umgehen und bewegte sich damit in einer feinen Jazztradition – zieht sich die Veredelung von „Gassenhauern“ doch durch die gesamte Jazzgeschichte.
Es gehört die Liebe zu den Melodien dazu, das gute Zentrum der Kompositionen wahrzunehmen, und die Feinfühligkeit, um diese Inspirationen mit in einen ganz persönlichen Jazz-Ansatz zu übernehmen. Kathrin Lemke hat es getan und war nicht allein auf ihrer Entdeckungsreise, sie hatte ein großartiges Quartett zusammengestellt, das mit ihr diese Reise unternahm.
Es kamen einige auf den ersten Blick merkwürdige bis witzige Einflüsse zusammen. Musikalische „Perlen“ wie: „Ich wünsch´ mir ne kleine Miezekatze“, das „Lied der Schlümpfe“ oder „Captain Future“ – eine gewisse Traute gehört schon dazu, solche Titel auf ein Jazzalbum zu pressen.
Auch die Schallplatten, die im Elternhaus in Heidelberg zu hören waren, wurden zur Inspiration: „Am Rio Jarama“, das Revolutionslied aus dem Spanischen Bürgerkrieg, und „Bella Ciao“, die Hymne der italienischen Antifaschisten, bis hin zum „Abschied vom Walde“ von Mendelssohn Bartholdy.
Die „Personal Heimat“ umfasst zudem Kathrin Lemkes persönliche geographische Biographie: Ihre Wahlheimat Berlin ist zu hören mit „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ und natürlich das heimatliche Heidelberg ihrer Jugend mit „Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren“.
Viele dieser Lieder haben einen musikalisch schlichten Kern, mit einfachen Melodien. Aber die leicht ironisch so genannten „Perlen“ verlieren die Gänsefüßchen mit der Transformation ins Jazzgenre. So wie sich Schichten von Perlmutt um ein Sandkorn legen und dieses Korn zu etwas ganz Neuem, Schimmerndem machen, so gelingt es Kathrin Lemke mit ihrem Quartett, die Qualitäten des Ausgangsmaterials zu veredeln, mit musikalischem Perlmutt zu umhüllen.
Da wird aus dem eh schon umtriebigen Berliner Bolle nach wenigen Takten ein im Free-Jazz-Feld hin- und her springender Hektiker. Adam Pultz Melbye gibt mit seinem Bass-Intro die dunkle Stimmung von „The House Of The Rising Sun“ vor, in der Meinhold und Lemke später im harmonischen Niemandsland umherpirschen. Und Michael Griener erzaubert in „Bella Ciao“ im Dialog mit Pultz Melbye pulsierende Rhythmusskulpturen.
Die düsteren Töne auf „My Personal Heimat“ lassen sich nicht überhören: „Captain Future“ wagt sich nur mit einem dünnen Saxophonstimmchen aus dem Dickicht von Schlagzeug, gestrichenem Bass und Piano heraus. Und „Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren“ wird zum Funeral March.
Es ist bitter, dass dieses musikalische Statement das letzte von Kathrin Lemke ist. Die Namensgeberin des Quartetts starb am 22. Januar 2016. Viel zu früh, nach langem Kampf mit einer tückischen Krankheit. Für ihre Angehörigen und Freunde ein unersetzlicher Verlust und ebenso für die Jazzszene. So wurde aus der Standortbestimmung nun
ihr musikalischer Nachlass.
Kathrin Lemkes letztes Studioalbum erscheint Ende Oktober 2016 – ein Jahr nachdem sie im Gewölbekeller des Jazzinstituts Darmstadt in der CD-Besetzung dieses Programm spielte. Es war ihr letztes Konzert. Wer dabei war, wird sich an Kathrins leuchtende Augen, ihre Freude an der Musik – auch am Sprechen über diese Musik – erinnern; und an ihre Lebensfreude. Wir können dankbar sein, sie gehabt zu haben, sie immer noch hören zu dürfen und dafür, dass Kathrin Lemke ihre musikalischen Spuren hinterlassen hat.
Die Musiker
Kathrin Lemke (sax, comp) studierte von 1993 bis 1999 an der Frankfurter Musikwerkstatt bis zum Diplom als Berufsmusikerin und Instrumentalpädagogin. Vom Berliner Senat erhielt sie ein Stipendium für einen zweimonatigen New York-Aufenthalt. 1998 gründete Lemke ihre eigene Formation JazzXclamation, mit der sie vier CDs veröffentlichte. Seit 2009 war sie die Leaderin der Sun Ra Tribute-Band Heliocentric Counterblast, von der bei Enja zwei hochgelobte CDs erschienen. Kathrin Lemke spielte mit ihren Formationen zahlreiche Konzerte in Deutschland und Europa und war auch in Kanada und Bolivien auf Tour. Kathrin Lemke verstarb am 22. Januar 2016.
www.kathrinlemke.de
Niko Meinhold (p, comp) studierte an der HfM »Hanns Eisler“, dem Jazzinstitut Berlin und an der Kungligan Musikhögskolan in Stockholm. Derzeit Studium der Moungongo und der Bwitimusik in Gabun. Meinhold komponierte für verschiedenste Ensembles, auch für Orchester, Radiobigbands, Film, Theater und Fernsehen sowie für CD-Produktionen. Zur Zeit fokussiert er sich auf experimentelle Kompositionen und genreübergreifende Performances für unterschiedliche Formationen, u.a. das Niko Meinhold-Ensemble und das Trio Kokotob. Meinhold ist Träger verschiedener Jazzpreise. Er tourte und spielte auf zahlreichen Festivals in Europa, Asien, Nord- und Südamerika und Afrika und lehrte an Instituten unter anderem in Berlin, Bogotá, derzeit auch an der HMT Rostock.
www.nikomeinhold.de
Michael Griener (dr) Michael Griener (dr) stammt aus Nürnberg und lebt seit 1994 in Berlin. Er hat sich schon in jungen Jahren ausführlich & selbstständig mit der gesamten Jazztradition, Freier Improvisation und Neuer Musik beschäftigt und ist auch sonst recht neugierig, wie und mit wem man gute Musik machen kann. In der Folge spielte er ebenso in der Mailänder Scala wie auf dem New Yorker VISION Festival und in der Berliner Philharmonie. „Er erwies sich bei allen Gelegenheiten als ideale Besetzung, nicht weil es ihm an eigenem Profil mangelt, sondern weil er jede noch so spezielle Idee mit eigenem Esprit zu unterfüttern weiß…“ (Eric Mandel). Griener unterrichtet seit 2002 Schlagzeug an der Musikhochschule Dresden “Carl Maria v. Weber”. Er wurde im Jahr 2006 als „kreativster Solist“ beim Neuen Deutschen Jazzpreis Mannheim ausgezeichnet.
www.michaelgriener.de
Adam Pultz Melbye spielt Kontrabass, elektronische Instrumente und ist als Komponist tätig. Er stammt ursprünglich aus Dänemark und lebt derzeit in Berlin. Sein musikalischer Schwerpunkt liegt im Bereich der Freien Improvisation und elektronischer Soundscapes. Adam Pultz Melbye geht weltweit auf Tour und spielte mit Musikern wie Pat Thomas, Mark Sanders, Evan Parker, Paul Lovens, Yasuhiro Yoshigaki und Michiyo Yagi. Im Bereich elektronischer Musikt tritt er u.a. mit dem Duo Toggle (mit Mads Emil Nielsen) und Ouroboros mit Chris Heenan und Michael Vorfeld auf.
www.adampultz.com
Kurzinfos
Interpret: Kathrin Lemke Quartett
Titel: My Personal Heimat
Label: fixcel records
Release: 30.10.2016
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